«Wenn ich in St. Moritz bin, ist es ein perfekter Tag», meint Robert M. Edsel. Eben habe ich den gefeierten Autor von Monuments Men (Die Jagd nach Hitlers Raubkunst) gefragt, was für ihn der perfekte Tag hier in St. Moritz sei. Doch er insistiert, es reiche, ganz einfach nur da zu sein. «Es ist zauberhaft schön. Es ist gesund. Es ist inspirierend. Gewiss ein Ort mit viel Geld, aber auch ein Ort grosser Einfachheit», fügt er hinzu.
Edsel kehrt seit seinem ersten Besuch, als er Mitte 20 war und in die Ölexploration einstieg, immer wieder nach St. Moritz zurück. «Das war 1982, und im folgenden Jahrzehnt bin ich sechs oder sieben Mal zurückgekommen,» sagt er. Er steige immer im Palace ab. «Am Anfang kam ich im Winter.» «Als ich dann in einem Jahr im Sommer hier war, entwickelte ich eine ganz neue Art der Beziehung zu diesem Ort.»
Inzwischen kommt er praktisch jedes Jahr, um den Sommer mit «der Liebe meines Lebens – meiner Frau – und unseren beiden kleinen Jungen» im Palace zu verbringen. Wir haben uns als Familie in das Hotel verliebt.»
Er und seine Frau Anna Bottinelli, wohnhaft in Dallas in den USA, kamen mit ihren Söhnen Francesco, vier, und Rodney, zwei, zum Beginn der Sommersaison in das Palace. Anna leitet die Monuments Men Foundation, eine gemeinnützige Organisation, die 2007 von Robert gegründet wurde, um die Arbeit des Teams von Kuratoren, Historikern und Bibliothekaren zu würdigen, das während des Zweiten Weltkriegs so viel zur Rettung der grossen Kunstschätze Europas tat. Sie widmet sich der Fortsetzung ihrer Mission, gestohlene Kunstwerke ihren rechtmässigen Eigentümern zurückzugeben.
Edsel arbeitet an zwei neuen Büchern, will aber partout nicht verraten, worum es darin geht. Immerhin gesteht er, dass er sich über ein anderes Projekt sehr freut – eine Verfilmung seines dritten Buches Saving Italy (2013), in dem es um die Beschlagnahmung berühmter italienischer Kunstwerke durch die Nazis ging sowie um die heroischen Anstrengungen, die es ermöglichten, so viele davon zu retten und an ihren angestammten Platz zurückzubringen. Sein zweites Buch wurde 2014 zum gefeierten Film The Monuments Men – Ungewöhnliche Helden umgesetzt, in dem George Clooney, der auch Regie führte, neben Matt Damon, Bill Murray und Cate Blanchett die Hauptrolle spielte. Es folgte auf sein erstes Buch, Rescuing Da Vinci (2006).
Arbeit und Spiel im Badrutt’s Palace
Edsel und seine Frau arbeiten beide den Sommer über vom Hotel aus, sagt er. Nachts schreibt Robert gewöhnlich im alten Kartentischraum mit Blick auf den See und die Berge, und tagsüber unternehmen sie gern Exkursionen, gelegentlich auch per Helikopter. Beide sind der Meinung, dass das Engadin ein wunderbarer Ort ist, an dem ihre Kinder lernen können, während sie arbeiten. «Wir haben vor drei oder vier Jahren eine Frau hier in St. Moritz kennen gelernt, zu der wir eine wunderbare Beziehung aufgebaut haben. Sie nimmt die Jungs jeden Tag von etwa 9:30 bis 14:00 mit hinaus ins Freie. Dann wird das Engadin zu ihrem Schulzimmer, sie besuchen die vielen Dörfer im Tal. Es ist eine fantastische Lernerfahrung für sie.
«Sie lieben es, in der Natur zu sein und etwas zu unternehmen. Und wir sehen sie dann am Nachmittag. Wir spielen Tennis, gehen ins Schwimmbad oder springen auf dem Trampolin, und dann essen wir gemeinsam zu Abend.»
Das Hotel bietet ihnen den perfekten Ort, um mit den Kindern zu essen. «Wir essen so gut wie jeden Abend im La Diala,» sagt er. Es ist eine kinderfreundliche, entspannte Umgebung mit Blick auf den See, und das Paar isst gerne mit den Jungen am frühen Abend. Manchmal machen sie auch den kurzen Spaziergang zum traditionellen Bauernhaus, das 1936 in die Chesa Veglia umgewandelt wurde, ein Paradies für Gourmets und Liebhaber von feinem Essen. «Einmal alle zwei Wochen gehen wir auch in die Pizzeria Heuboden in der Chesa Veglia. Wir lieben das Essen dort.»
Aber er ist auch ein Fan von Le Restaurant. «Ich empfehle allen, hinzugehen, die Augen zu schliessen und zu überlegen, was sie essen möchten». «Was auch immer es ist, die Köche bereiten es zu – das kann natürlich etwas dauern. Wenn Sie etwas Exotisches haben wollen, bestellen Sie es am Vortag. Das klappt immer. Die Köche sind wie Spitzensportler, sie wollen zeigen, was sie können.»
Einmal im Monat besuchen Edsel und seine Frau das Panoramarestaurant Muottas Muragl mit seiner spektakulären Aussicht auf 2’454 Metern Höhe, aber auch einige der Gastrobetriebe in St. Moritz haben es ihnen angetan: «Das italienische Restaurant Roberto ist fantastisch», schwärmt er. Einmal pro Woche gingen er und seine Frau allein zusammen essen, vertraut er mir an. Dann fahren sie in eines der Dörfer in der Umgebung, um ein neues Restaurant auszuprobieren. Aber am meisten geniessen sie doch die Essen im Familienkreis mit den zwei Jungs.
Zurück zur Natur in St. Moritz
«An den Wochenenden verbringen wir den ganzen Tag mit den Jungs. Jeden Sonntag gehen wir mit ihnen aus und unternehmen etwas Besonderes mit ihnen; da steht meist ein Picknick auf dem Programm», schmunzelt er.
Ihm gefällt die Tatsache, dass sie in St. Moritz ein unkompliziertes Leben im Freien geniessen können: «Wandern, einfaches Mittagessen – die Nahrung hier ist so gesund – Bergsteigen, Boot fahren … Wir fahren etwa alle zwei Wochen an den Stazer See, veranstalten ein Picknick und gehen im See baden. Es gibt einfach unendlich viel zu sehen und zu tun.»
Sein Sohn aus erster Ehe, Diego, ist heute 27 Jahre alt und ein Heavy-Metal-Gitarrist in den USA. «Auch Diego verbindet viele glückliche Erlebnisse mit St. Moritz: Skifahren, Snowboarden und der Aufenthalt im Kids‘ Club des Hotels.»
Edsel lernte das Skifahren ebenfalls in St. Moritz und erzählt, seine damalige Skilehrerin walte noch immer ihres Amtes. «Ihr Name ist Heidi Knaus, sie kommt aus dem Engadin und spricht Rätoromanisch. Sie ist jeweils mit einer Handorgel die Piste runtergefahren. Das war eine tolle Einführung in die Region!»
Edsel fährt immer noch Ski, aber mit 63 spielt er drei Mal in der Woche Tennis, um sich fit zu halten. In jungen Jahren war ein begabter Spieler und hatte irgendwann sogar in Erwägung gezogen, Profi zu werden. Er sagt: «Aber mit 21 absolvierte ich den Turnierzirkus und reiste durch Europa. Ich wusste, dass ich damit meinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, aber ich würde nicht zu den ganz Grossen gehören; das war mir klar.»
Er beschloss, «den Schulabschluss zu machen, in der Gewissheit, dass sich dann eine andere Tür öffnen würde», erinnert er sich. Das war dann die Ölexploration. Er begann in der Branche «als Laufbursche sozusagen. Ich machte Besorgungen und organisierte den Papierkram.» «Doch nach zwei Jahren», so fährt er fort, «… bildete ich mir ein, ich wüsste genug, wie das so ist, wenn man jung ist, also verabschiedete ich mich und gründete meine eigene Firma.
Ich arbeitete wie ein Verrückter. Meine Freunde wussten, dass sie mich Freitagabends noch im Büro antreffen würden. Aber wenn ich mir eine Auszeit nahm, kam ich für ein oder zwei Wochen an einen Ort wie das Palace, um Schlaf nachzuholen, Sport zu treiben und meine Batterien aufzuladen.»
In den ersten 15 Jahren war es ein Kampf gewesen, dann wuchs das Unternehmen plötzlich innerhalb von zwei Jahren von sechs auf rund 100 Mitarbeiter. Wir waren Pioniere in der Entwicklung der Horizontalbohrtechnik und sehr erfolgreich. Es war das erste Mal, dass ich in meiner unternehmerischen Karriere wirklich Erfolg hatte», sagt er.
Mit 39 Jahren entschied er sich für einen weiteren radikalen Wechsel. «Es ist ein sehr riskantes Geschäft», erinnert er sich. «Ich wollte mit dem Unternehmen nicht an die Börse, und ich dachte, es gibt so viele andere Dinge, die mich interessieren – und ehe man sich’s versieht, ist man nicht mehr 39, sondern 59. Es war der richtige Moment, um etwas anderes zu tun.»
Warum wir uns im Badrutt’s Palace wie Zuhause fühlen
Er zog nach Europa und begann zu reisen und sich mit Kunst und Architektur zu befassen. Er sagt: «Ich hatte schon immer Interesse daran, aber nie die Zeit. Nun las ich sieben bis zehn Bücher pro Woche. Eines Tages fragte ich mich, wie all diese Kunstwerke den verheerendsten Krieg der Geschichte überlebt hatten. Und wer hatte sie gerettet? Für mich war das ganz einfach eine Frage, nicht mit einem Zweck verbunden. Es war eine interessante Frage.»
Er war an dem Dokumentarfilm The Rape of Europa beteiligt, der auf Lynn H. Nicholas‘ Buch über die Plünderung der Kunstschätze Europas durch die Nazis basiert. «Je mehr ich von der Geschichte verstand, desto mehr wollte ich die Guten kennen lernen – die Monuments Men», erinnert er sich. «Wir fanden 21 von ihnen, darunter drei oder vier Frauen, wie Anne Olivier Bell, Leiterin des britischen Bloomsbury-Sets von Schriftstellern, Intellektuellen und Künstlern.»
Einen Grossteil von Saving Italy schrieb Robert im Palace. Das Personal hätte ihm geholfen, aus seinen über mehrere Jahre betriebenen Recherchen eine Erzählung herauszuschälen. «Es war eine gewaltige Aufgabe, einen so wichtigen Teil der Geschichte zu erzählen. Ich kam Mitte Juni mit drei Gepäckstücken an. Das war meine Habe für den ganzen Sommer. Aber ich hatte einen Stapel mit 12 grossen Archivkisten dabei, der vom Boden bis zur Decke reichte, gefüllt mit Büchern, Dokumenten und Gegenständen, von denen ich dachte, dass sie vielleicht nützlich sein würden.»
Er war zu dieser Zeit geschieden und lebte allein. «Ich glaube, jeder im Palace hat gespürt, was für eine Herausforderung ich da vor mir hatte.» «Sie waren es, die mir jeden Tag halfen und mich aufmunterten, wenn ich niedergeschlagen war … mich aufforderten, einen Spaziergang zu machen und ein paar Tage lang das Schreiben zu lassen. Natürlich in keiner Weise aufdringlich, sie haben mich nur ein wenig auf andere Ideen gebracht.»
Es sind die Menschen, die ihn jedes Jahr in das Palace zurückkehren lassen. Als er seine Frau zum ersten Mal hierher brachte, wollte er, dass sie «die Menschen hier kennenlernt, denn sie sind es, die das Hotel zu dem machen, was es ist». «Wir sind mit fast allen Mitarbeitern befreundet. Sie empfangen uns mit offenen Armen, sind sehr freundlich und mögen Kinder. Man kommt hier an, und innerhalb von zwei Minuten hat man das Gefühl, man wäre nie weg gewesen. Man ist wieder zu Hause. Es ist eine wunderbare Erfahrung.»