Es gibt zwei Möbelstücke, die schon immer einen wichtigen Platz im Leben der Menschen einnahmen: die Bank (später der Stuhl) zum Sitzen und die Truhe oder Kiste zum Verwahren von Habseligkeiten (und auch zum Sitzen!).
Gäste des Badrutt’s Palace können in den Sälen und Gängen des Hotels zahlreiche antike Truhen entdecken, alle von grossem Wert und historischer Bedeutung. Die meisten wurden von Hans Badrutt zwischen 1920 und 1950 erworben, wobei jedes Stück aufgelistet und nummeriert ist (bei manchen lässt sich die Nummer noch auf der Rückseite erkennen). Einige der Stücke waren im Besitz von Johannes Badrutt, dem Begründer des Wintertourismus in St. Moritz, und seinem Sohn Caspar, der das Palace baute.
Heute sind die Truhen ornamentale Schmuckstücke, doch früher dienten sie meist der Aufbewahrung von persönlichen Gegenständen wie Kleidung und Bettzeug oder auch von haltbaren Lebensmitteln wie Getreide oder Mehl. Erstere sind in vielen Fällen aufwändig verziert, vor allem natürlich die Aussteuer- oder Mitgifttruhen. Die Bräute sollten nicht nur Geld, sondern auch Wäsche, persönliche Kleidung und Schmuck in die Ehe einbringen. Lebensmitteltruhen haben ein einfacheres Dekor und sind mit Füssen versehen, um Ungeziefer fernzuhalten.
Wenn Sie durch die Gänge des Badrutt’s Palace schlendern und den Truhen Aufmerksamkeit schenken, werden Sie auf einige stossen, auf denen noch die Initialen des Besitzers oder der Besitzerin sowie ein Datum erkennbar sind. Je nach Wohlstand und sozialer Schicht wurden die Truhen dekorativ mit Szenen aus der Bibel oder der griechischen oder römischen Mythologie verziert. Diese Darstellungen hatten fast immer einen Bezug auf das Paar, die Liebe, das Eigentum oder das Glaubensbekenntnis der Besitzer. So ist auf einer der Truhen im Hotel die Szene der Rückkehr des verlorenen Sohnes dargestellt, was darauf hindeutet, dass Reichtum und Wohltätigkeit ein wichtiger Teil des Lebens seines Besitzers waren. Einige Bilder auf den Truhen des Hotels offenbaren beim genauen Hinschauen auch frivolere Szenen, etwa groteske Motive aus der Renaissance oder einen freigeistigen Amor aus dem Zeitalter der Aufklärung.
Unter den dekorativen Truhen befinden sich auch kleinere Stücke. Dies sind Reisetruhen, die einst die kostbarsten persönlichen Gegenstände ihres Besitzers enthielten, darunter Schmuck und die Kleidung für die Sonntagsmesse. Aus Metall gefertigte und mit verschiedenen Riegeln und Schlössern versehene Truhen enthielten Geld.
Einige der Truhen sind jedoch viel grösser, gross genug für einen Menschen. Sie gehörten den Rittern, die auf Kreuzzügen unterwegs waren; wenn sie der Tod ereilte, wurden sie im Heiligen Land in diesen Särgen begraben.
Auf Getreidetruhen sieht man oft eingeritzte Rosenkranzmotive: Sie sollten böse Geister abschrecken. Die Rose ist das Symbol der Jungfrau Maria, und je nach Anzahl ist die Bedeutung unterschiedlich: drei Rosen stehen für die Dreifaltigkeit (Gottvater, Sohn und Heiliger Geist); vier Rosen für die vier Evangelisten oder die Naturelemente; sieben Rosen für die Schöpfungstage, acht für die Auferstehung und zwölf für die Apostel. Da die Anzahl jedoch in vielen Varianten kombiniert wird, ist eine zuverlässige Interpretation schwierig.
Eine der Truhen im Badrutt’s Palace hat eine ganz besondere Geschichte: Die sogenannte Jenatsch-Truhe stammt aus dem Haus Jenatsch, dessen bekanntester Sohn der Bündner Freiheitskämpfer Jörg Jenatsch (1596-1639) war. Sie wurde von Hans Badrutt zusammen mit einer Reihe anderer Möbel und Objekte erworben, die 1937 an der Pariser Weltausstellung gezeigt wurden. Nach der Ausstellung kamen einige dieser Antiquitäten in die Chesa Veglia. Andere, wie die Getreidetruhe, die heute im Korridor des zweiten Stocks des Hotels bewundert werden kann, und der Klappstuhl im Flur zum Restaurant Le Grand Hall, kamen in das Palace wo sie heute noch stehen.
Halten Sie bei Ihrem nächsten Aufenthalt im Badrutt’s Palace die Augen offen nach diesen historischen Kostbarkeiten, die nur darauf warten, von Ihnen entdeckt zu werden.