Wenn es um herausragenden Service geht, stand das Badrutt’s Palace Hotel schon immer ganz oben auf der Liste. Diese berühmte St. Moritzer Institution ist seit jeher stolz auf die Ausbildung und die vorbildliche Professionalität seiner Mitarbeitenden, die ihre Pflicht nicht nur darin sehen, für das Wohl und den Komfort der Gäste zu sorgen, sondern weit darüber hinausgehen.
Ein gutes Beispiel für die Wertschätzung, die das Personal geniesst, war ein Anlass vor 50 Jahren, als ein Teil des Teams von St. Moritz in die antike persische Hauptstadt Persepolis abberufen wurde. Dort trafen sie auf Mitarbeiter des Pariser Nobelrestaurants Maxim’s und des Hôtel de Paris in Monte Carlo. Gemeinsam mit ihnen waren sie als Küchenbrigade für die fünftägigen Feierlichkeiten zum 2500. Jahrestag des persischen Kaiserreichs gewählt worden, die der Schah von Iran, Reza Pahlevi, zum 2500 Geburtstag des persischen Reichs inszenierte.
Unter den Geladenen Gästen dieser Feier der Superlative (auch bekannt als «teuerstes Fest aller Zeiten»), die im Oktober 1971 über die Bühne ging, waren Kaiser, Könige und Königinnen, Fürsten und Fürstinnen, Scheichs, (Vize-)Präsidenten und Würdenträger aus aller Welt. Architekten und Dekorateure hatten 50 luxuriös eingerichtete zeltartige Hotelunterkünfte für die VIP-Gäste gestaltet, angeordnet in Form eines Sterns um einen Springbrunnen, und dazu ein riesiges Festzelt für das Staatsbankett. Es wurden keine Kosten gescheut. Bei dem opulenten 5-Gänge-Bankett waren 600 Gäste anwesend. Zu den weiteren Aktivitäten gehörten ein Ton- und Licht-Spektakel in den Ruinen von Persepolis und eine choreografierte Parade iranischer Soldaten in originalgetreu nachgeschneiderten Uniformen aller Epochen der persischen Geschichte, inklusive Kamele, Pferde und sogar ein Kriegsschiff – mitten in der Wüste.
Die Exkurse in die Geschichte des alten Perserreiches mögen schnell verblasst sein; was den Mitarbeitenden und Köchen des Palace jedoch für immer in Erinnerung bleiben wird, ist das unglaubliche gastronomische Spektakel, an dem sie mitwirkten.
In Artikeln, die damals in Schweizer Zeitschriften veröffentlicht wurden, berichteten Engadiner voller Stolz über die Hitze des Gasfeuers in der riesigen Grossküche und über die iranische Wüste. Hinter den Kulissen kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen den rivalisierenden Chefköchen an der Spitze der imposanten Küchenbrigade – dem Chefkoch des Maxim’s und jenem des Schweizer Teams.
Die Korrespondentin der United Press International, Aline Moby, berichtete am 12. Oktober 1971, dem ersten Tag der Feierlichkeiten in Persepolis: «Chef Humbert [erster Chef oder Chef-Saucier des Maxim’s in Paris] wird mit 150 der besten Kellnern und 30 Chefs aus dem Hôtel de Paris in Monte Carlo und dem Palace Hotel in St. Moritz eingeflogen. Gegart, geröstet und gegrillt wird auf Gas- und Elektroherden, alle aus Paris.»
Gerhard Müller, damals Koch im Badrutt’s Palace, schreibt in seinen Memoiren: «Rudolf Pazellers Vater war seit 1946 Concierge im Palace gewesen und hielt diese Stellung 36 Jahre lang, also für insgesamt 72 Saisons. Andrea Badrutt wollte ihn mit der Mission betrauen, nach Persepolis zu fliegen, um die Könige und Königinnen der Welt im Namen des Palace willkommen zu heissen. Doch Pazeller lehnte das Ansinnen höflich ab.» 10 Tage später fragte Andrea Badrutt ihn, ob er andere, jüngere Mitglieder seines Teams, vorzugsweise Köche, vorschlagen könne. Pazeller schlug seinen Sohn Rudolf Pazeller Jr. vor, der mit Freude annahm, unter der Bedingung, dass Gerhard Müller bei diesem Einsatz mit dabei sein würde. Zwei weitere Köche, einer aus St. Gallen und einer aus Basel, waren ebenfalls mit von der Partie. Teil dieser Feier im Stil von Tausendundeiner Nacht zu sein, war die grösste Ehre, weshalb niemand nach Entlöhnung fragte.
«Sie traten um 6 Uhr in der Früh im Küchenzelt zur Arbeit an, unter strikter Anweisung von Monsieur Menant, dem Küchenchef des Maxim’s, ihn nicht zu fragen, was zu tun sei. Stattdessen sollten sie sich an die Instruktionen halten, die an den Zeltwänden befestigt waren. Dies war eine schwierige Herausforderung.» Gerhard Müller, der aufgrund seines Alters (damals 32 Jahre) als Teamleader gewählt worden war, ergriff die Initiative und wies die Mitglieder der Küchenbrigade an, die Speisen zuzubereiten, die sie am besten meisterten.
Die beiden anderen Schweizer Köche, Giovanni und Marino Gaffuri, erwähnten in einem späteren Interview die strikten Hygienemassnahmen; beispielsweise mussten sämtliche Speisereste jedes Gerichts unter der Aufsicht bewaffneter Militärs sofort entsorgt werden. Leider gab es jedoch keine Beaufsichtigung der vielen hundert goldgeränderten Teller und des Bestecks, weshalb diese ebenfalls kurzerhand entsorgt wurden, darunter auch goldene Gabeln, Messer und Löffel vom Haupttisch. Daher gab es am zweiten Abend der Festivitäten nicht genug Tafelbesteck und -geschirr.
Heute werden die Dokumente von Gerhard Müller im Archiv des Badrutt’s Palace Hotel als ein Tribut an die Geschichte des St. Moritzer Hauses verwahrt.
Der Artikel stützt sich auf Recherchen von Evelyne Lüthi-Graf und Rebecca Wiedemann sowie Beiträge der Familie von Gerhard Müller in St. Moritz.