Skitourengeher in den Bergen

Das Glück in den Bergen

St. Moritz ist der perfekte Ort, um abseits der ausgetretenen Pfade auf Skiern ein unberührtes Winterparadies zu entdecken

Ich gehöre nicht zu denen, die so besessen davon sind, sich ihre Schwünge redlich zu verdienen, dass sie auf das Liftfahren verzichten. Wann immer ich jedoch im Engadin bin, lockt mich das Skitourengehen – eine Kombination aus Langlauf und Abfahrt, die Zugang zu Gebieten eröffnet, die für regläre Skifahrer als unzugänglich gelten – eine grandiose Sportart, um die Berge und die unberührte Natur abseits von den präparierten Pisten zu erleben.

Das Skitourengehen hat in den letzten Jahren dank der Fortschritte bei der Ausrüstung viel an Popularität gewonnen.  Im Grunde genommen ist diese Art der Fortbewegung der eigentliche Ursprung des Skilaufs – womit sich der Kreis schliesst. Das Tourengehen, oft als «alpine Königsdisziplin» bezeichnet, bietet Ihnen nicht nur ein zusätzliches Gefühl der Belohnung für Ihre Anstrengungen sowie den Wegfall der Warteschlangen und der mechanisierten Welt der Skilifte und der gewalzten Pisten, sondern es stellt auch die Verbindung her zu den Pionierjahren des Skilaufs. 

Ein Skitourengeher in einem Wald in den Bergen
Zauberhafte Kiefernwälder gehören zum Skitourenparadis rund um St. Moritz

Seit die ersten britischen Pioniere eine Einladung von Johannes Badrutt, dem Vater des Badrutt’s Palace-Gründers Caspar, angenommen hatten, den Winter 1864/65 in St. Moritz zu verbringen, gilt der Ort als die eigentliche Wiege des Wintertourismus. Mit ihnen begann die Liebe zu Schnee und Sonne, die sich in den letzten anderthalb Jahrhunderten auf der ganzen Welt verbreitet hat, obwohl das Konzept der «Abfahrt» damals in der Schweiz noch unbekannt war.

Tatsächlich waren es die Norweger, die in den 1860er Jahren das  Abfahrtskifahren entdeckten, und es sollte noch ein paar Jahrzehnte dauern, bis der neue Sport die Alpen-region erreichte. Die ersten Abfahrtskier kamen wohl in den 1890er Jahren ins Engadin, also zu der Zeit, als Caspar Badrutt die Konstruktion des Palace überwachte.

«Wir haben Aufnahmen von Skifahrern aus den 1890ern», sagt Dora Filli von der Bibliothek in St. Moritz. «Einer von ihnen, Pfarrer Camill Hoffmann, war auch der erste Direktor des St. Moritzer Fremdenverkehrsamtes. Vermutlich waren dies die ersten Skifahrer in St. Moritz.»

Diese Pioniere des Skisports fuhren auf langen, schmalen Holzskiern, die den Langlaufskiern nachempfunden waren, und bis zur Erfindung der ‹Alpintechnik› und der Zwillings-Skistöcke in den frühen 1900er Jahren schoben sie sich mit einem einzigen langen Stock durch den Tiefschnee, nicht unähnlich einem venezianischen Gondoliere.

Skitourengeher mit Spezialbindungen
Spezialbindungen und Ausrüstung zum Skitourenfahren

Die Entwicklung Des Sports

Heute ist das Skitourenfahren eine Hi-Tech-Angelegenheit. Man braucht eine spezielle Ausrüstung, darunter Skier mit Bindungen, die beim Aufstieg an der Ferse abgekoppelt werden können, um effektive Bewegungsabläufe zu ermöglichen. Moderne synthetische Versionen der langen, dünnen Streifen aus Robbenfell, die die frühen Skifahrer an der Unterseite ihrer Skier anbrachten (die nach wie vor als ‹Felle› bezeichnet werden), sorgen beim Aufstieg für den notwendigen Grip.

Noch wichtiger ist aber die Sicherheit der Tourenfahrer. Denn auf einer Skitour entfernen Sie sich von den patrouillierten Strecken, die gegen Lawinengefahr gesichert sind. Deshalb müssen Sie ein Lawinenverschüttetensuchgerät (kurz: LVS) mit dabei haben, eine Sonde und eine Schaufel – und auch wissen, wie Sie diese Instrumente einsetzen.

Einerseits ist das Skitourengehen etwas, das die meisten einigermassen fitten, kompetenten Skifahrer leicht ausprobieren und geniessen können (es gibt auch eine Version namens Splitboarding für Snowboarder), andererseits sollte man sich nicht leichtfertig oder unvorbereitet darauf einlassen. Sie müssen die Technik lernen und vor allem, wie man den Berg «liest». Und dafür brauchen Sie zumindest in der ersten Zeit Anleitung und Unterstützung.

«Wir beginnen auf Corviglia, wo wir die Grundlagen vermitteln: wie ein LVS-Gerät funktioniert, welche andere Ausrüstung notwendig ist, und wie man sie benutzt. Wenn das skifahrerische Können gut genug ist, versuchen wir, mit den Fellen auf den Skiern zu laufen und lernen, wie man Spitzkehren macht», erklärt Tiziano Zeller, Manager bei Snowsports St. Moritz, der ältesten und grössten Skischule im Ort. «Wenn das alles klappt, gibt es kurze Anstiege im Corviglia-Gebiet, die für weniger Geübte gut machbar sind. Doch im ganzen Oberengadin, vor allem im Julierpass-Gebiet, gibt es eine grosse Auswahl von Touren, die nicht zu steil oder zu schwierig sind, sodass auch weniger versierte Skifahrer die unberührte Natur geniessen können.»

Wenn Sie es von Anfang an richtig anpacken, wird sich das mit zunehmendem Können auszahlen: Sie erleben eine völlig neue Welt des Skifahrens und lernen das Engadin von seiner vielleicht schönsten Seite kennen.

Skitourengeher am Seil
Auf manchen Routen ist ein Sicherheitsseil obligatorisch; Engadin St. Moritz, swiss-image.ch/Ben Wiesenfarth

Skitourenfahren Im Engadin

Das Tal liegt mit 1’800 m sehr hoch und ist vermutlich von mehr 3000er-Gipfeln umgeben als jedes andere auf der Welt. Viele von ihnen sind mit Skiern oder Fellen leicht zu erreichen und bieten eine gute Schneeunterlage direkt vom Talboden aus

Die beste Route kann sich von einem Tag zum nächsten ändern. Die Schnee- und Wetterdynamik ist nuancierter als beim Pistenskifahren, daher ist es wichtig, dass Sie sich informieren und sich durch einen Ortskundigen beraten lassen. Es gibt unzählige Möglichkeiten, aber mich zieht vor allem der Diavolezza-Gletscher an.

Hier haben Sie die Möglichkeit, mit der Gondelbahn zu einer der weltbesten Abfahrten hinaufzufahren. Oder Sie legen die Felle an und steigen die Diavolezza Challenge hoch, eine sichere und gut markierte Strecke über 890 Höhenmeter, die speziell für Tourengeher angelegt wurde und für die Sie einen Skipass oder ein spezielles Ticket benötigen.

Ich gehe es lieber gemächtlich an und lege viele längere Pausen ein. Ich erinnere mich daran, dass ‹divalozza› im lokalen rätoromanischen Dialekt ‹Teufelin› bedeutet, eine Anspielung darauf, dass der Gletscher hier einst Hirten und Jäger ins eisige Verderben lockte. 

Die neun Kilometer (5,6 Meilen) lange Abfahrt nach Morteratsch ist die längste Gletscherabfahrt der Schweiz und eine der grossartigsten Abfahrten des Weltskilaufs – die Mühe lohnt sich also. Von der Bergstation der Seilbahn führt die Route zunächst über die Gemsfreiheit (3’185 Meter), bevor der Abstieg zum Morteratsch beginnt, der fast 1’100 Höhenmeter tiefer liegt.

Obwohl es einen steilen Abschnitt von etwa 300 Metern zu überwinden gibt, ist die Route, die über den Pers- und den Morteratschgletscher führt, nicht die anspruchsvollste in der Region. Auf jeden Fall ist sie jedoch eine der lohnendsten, dank des fantastischen Schnees, der fast kompletten Stille und des spektakulären Panoramas, das sich auf der Abfahrt bietet. Ich sehe die höchsten Gipfel der Ostalpen mit dem Piz Palü (3’900 Meter) und dem weiter entfernten Piz Bernina (4’049 Meter), die die Landschaft dominieren.

Der Gletscher ist ein Land aus ewig in Bewegung befindlichem Eis, etwa fünf Milliarden Tonnen davon. Obwohl die Route mit gelben Pfosten markiert ist, um Sie von den Gletscherspalten fernzuhalten, wird empfohlen, den Abstieg nur mit einem örtlichen Führer zu unternehmen.

Egal, ob Sie Anfänger oder Experte sind, Sie werden feststellen, dass die Topographie des Engadins wie geschaffen ist für Skitouren. Ein guter Grund, Ihre Skifelle aufzuziehen und einen Berggipfel zu erklimmen.

Skitourengeher auf einem Gletscher
Der spektakuläre Gletscherberg Piz Palü; Engadin St. Moritz, swiss-image.ch/Ben Wiesenfarth

Top-Skirouten

Leicht Wenn Sie möchten, können Sie ein wenig schummeln und den Piz Belvair (2’821 m) oberhalb des beschaulichen Dorfes Zuoz erreichen, indem Sie für den ersten Teil des Aufstiegs den Pizzetlift nehmen, bevor Sie Ihre Felle aufziehen.

Mittel Der Aufstieg zum Piz Lagrev (3’165 Meter) vom Julierpass, dem berühmtesten Skitourengebiet des Engadins, ist ein gleichmässiger Aufstieg, der etwa 3,5 Stunden dauert und fast 1’000 Höhenmeter auf einer Länge von fast neun Kilometern überwindet. Als Belohnung warten eine atemberaubende Landschaft und fabelhafter Schnee.

Schwer Es gibt zahlreiche anspruchsvolle Aufstiege und Abfahrten für konditionsstarke, geübte Skitourenläufer in Begleitung eines Skilehrers oder Bergführers. Zur Auswahl stehen auch mehrtägige Touren, wie die Bündner Haute Route.

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