Die master-Weinkarte des Badrutt’s Palace bietet den Hotelgästen eine Auswahl von mehr als 2’000 verschiedenen Etiketten aus weltbekannten Regionen wie dem Burgund und der Toskana. Sie enthält aber auch eine kleine Kollektion von Flaschen aus zwei weniger bekannten Regionen, beide nicht einmal 60 Kilometer von St. Moritz entfernt.
Zunächst besuchten wir das winzige Weinanbaugebiet Bündner Herrschaft in der Schweiz. Es liegt in der nördlichsten Ecke Graubündens und ist von St. Moritz aus mit dem Auto über den Julierpass (der schnellste Weg) oder den Albulapass (der landschaftlich schönere Weg) oder mit dem Zug über die UNESCO-Welterbestrecke Albulalinie erreichbar.
Die Bündner Herrschaft umfasst nur 420 Hektar, eine Fläche wie ein einzelnes grosses Weingut in anderen Regionen. Ausserdem liegt das Gebiet mehr als 700 Meter über dem Meeresspiegel, aber der Föhn, eine warme Brise aus Italien, hat dazu geführt, dass hier seit über 1’000 Jahren erfolgreich Wein angebaut wird. Das Mikroklima ist dem des französischen Burgunds sehr ähnlich, weshalb die besten Chardonnays und Pinot Noirs der Schweiz aus dieser Region stammen.
Bis in die 1980er Jahre pflegten die einheimischen Familien ihre wenigen Rebzeilen und lieferten die Trauben an die Genossenschaft. Doch dann kam eine neue Generation, die ihren ganz eigenen Wein kreieren wollte.
Thomas Studach gehört zu dieser neuen Generation der Bündner Herrschaftswinzer. Er übernahm seine Rebstöcke 1988 von seinem Grossvater. Heute gilt er als eine Legende unter den Winzern, deren hervorragende Weine an die besten Burgunder erinnern. Er besitzt nur 3,2 Hektar Rebfläche, und seine begehrten Weine sind innerhalb weniger Wochen, nachdem sie abgefüllt werden, ausverkauft.
Studachs Weingut in der Bündner Gemeinde Malans macht den Eindruck einer typische Garagen-Kelterei, die in sehr kleinem Rahmen und ohne moderne Technik produziert. «Wenn die Trauben aus den Rebbergen kommen, kann ich ihren Wert nur mindern», lacht Studach. «Die Qualität des Weins wird zu 95 Prozent im Weinberg bestimmt.
Die Pflege der Trauben war das A und O der Weinherstellung», sagt Thomas Studach. «Als meine Kinder noch klein waren, konnte ich das Risiko nicht eingehen, mit dem ökologischen Landbau zu experimentieren. Stellen Sie sich vor, Sie verlieren diese kleine Produktion und müssen dann bis zum nächsten Jahr warten, um es erneut zu versuchen.»
Sobald seine Kinder jedoch erwachsen waren, stellte er seine Produktion auf biologischen Anbau um, wodurch er nicht nur die Umweltbelastung reduzierte, sondern auch Weine mit mehr Komplexität erzeugte. Sein komplexer Pinot Noir wird durch die Verwendung von zwei Klonen (Schweizer und Burgunder) hergestellt, was teilweise durch Ganztraubengärung und Eichenfässer mit unterschiedlichem Toasting noch verstärkt wird.
So begehrt die Weine von Thomas Studach inzwischen auch sind, so bleiben sie dennoch erschwinglich. Mit anderen Worten: Das Preis-Leistungs-Verhältnis seiner Flaschen im Vergleich zu besser bekannten Burgunderweinen ist erstaunlich gut.
Neue höhen für Nebbiolo
Das zweite kleine Weinanbaugebiet, das wir hier vorstellen, ist das Veltlin, das südöstlich der schweizerisch-italienischen Grenze in der norditalienischen Region Lombardei liegt. Hier werden die Rebberge von hoch aufragenden alpinen Bergen dominiert – es ist eine der dramatischsten Weinbaulandschaften der Welt. Die Weinberge sind in einer Höhe von 230 bis 760 Metern in die steilen Hänge terrassiert.
«Unsere terrassenförmig angelegten Weinberge erfordern dreimal so viel menschliche Arbeitskraft wie unsere Weinberge in der Toskana, da in diesen engen Reihen die meiste Arbeit von Hand verrichtet werden muss», sagt Giovanni Triacca, der das Weingut Casa Vinicola Triacca leitet, das seit 1897 Wein produziert. «Aufgrund der steilen Hanglage ist der ganze Rebberg der Sonne ausgesetzt. So müssen wir kaum gegen Feuchtigkeit ankämpfen und brauchen wenig Chemikalien zum Schutz der Reben.»
Bereits in der Vergangenheit war das Veltlin ein bedeutender Weinproduzent, insbesondere für die Schweiz. Die Bewohner von St. Moritz und des Engadins konsumierten in erster Linie Weine aus dem lombardischen Tal; auch Hansjürg Badrutt besass dort Reben. Im Veltlin werden die Trauben traditionell monatelang auf Strohmatten getrocknet (dieselbe Technik wie beim Amarone), wodurch sich der Zucker und die Säuren in den Früchten konzentrieren, was zu einem höheren Alkoholgehalt und vollmundigen Weinen führt, die Sforzato genannt werden. Mit dem Aufkommen besserer und schnellerer Transportmöglichkeiten sowie der zunehmenden Beliebtheit von Weinen aus anderen Regionen Italiens – wie der Toskana oder dem Piemont – ging die Nachfrage nach Veltliner Weinen jedoch zurück.
Heute produzieren die Winzer im Veltlin auch Rotweine aus Einzellagen, die ausgewogen und elegant sind. Die Nebbiolo-Traube, die mehr als 95 Prozent der in der Region angebauten Trauben ausmacht, gedeiht am besten in einer langen, warmen Saison. Französische Eichenfässer haben die Kastanienfässer bei der Reifung ersetzt. Die Weine haben weiche, geschmeidige Tannine und bieten das beste Preis-Leistungs-Verhältnis in Italien.
Wir werfen noch einen Blick auf das Weingut Triacca, das auch Rebberge umfasst, die sich einst im Besitz von Hansjürg Badrutt befanden. Das eindrucksvolle Gebäude wurde um 1500 von Dominikanermönchen erbaut. Es ist wirklich empfehlenswert, hier einen gemütlichen Nachmittag auf der Sonnenterrasse zu verbringen. Bestellen Sie einen Teller Pizzoccheri, eine lokale Spezialität aus flachen Bandnudeln mit Kartoffeln, Kohl und Käse, die von der ausgezeichneten Küchenbrigade zubereitet werden, und geniessen Sie dazu eine Flasche Valtellina Superiore Sassella Riserva. Das ist ein ausgewogener Rotwein mit einer feinen Komplexität von Früchten und Gewürzen.
Wenn Sie das Weingut besuchen, sollten Sie sich genügend Zeit nehmen, um die atemberaubende Aussicht zu geniessen und dabei feine lokale Käsesorten, zusammen mit köstlichen, süffigen Weinen zu degustieren.
Verkostungsnotizen
Malanser Pinot Noir 2020, Thomas Studach
Trotz seiner Jugend ist dies ein überraschend guter, süffiger Wein. Er hat eine hohe Komplexität mit Noten von reifen roten und schwarzen Waldbeeren, Leder, Erde und Pilzen.
Das Palace-Signatur-Pairing: Gebratene Hirschmedaillons ‹Grand Palace› Garnitur und Sauce Poivrade im Le Restaurant.
Casa La Gatta 2018 Valtellina Superiore DOCG Triacca
Ein Wein mit weichen, reifen Tanninen, ausgewogen mit einem moderaten Alkoholgehalt, Aromen von überreifen schwarzen Kirschen und getrockneten Pflaumen, Eukalyptus und Lakritze.
Das Palace-Signatur-Gericht Pairing: Kalbfleisch und Huhn Pojarski, Gänseleber-Creme-Sauce, Erbsen und schwarze Trüffel und Taglierini in der Chesa Veglia – Patrizier Stuben.