Abends im Le Grand Hall sitzen, genüsslich Champagner schlürfen und über das Tal in die majestätische Bergwelt blicken … Das ist eines der grossen Vergnügen im Badrutt’s Palace Hotel, nach denen ich mich immer wieder sehne.
Doch Champagner ist weit mehr als nur ein Aperitif oder eine Ergänzung zum Nachmittagstee. Er ist ein äusserst vielseitiger Wein mit überraschenden Nuancen und Aromen, der zu Unrecht bei mehrgängigen Essen oft gar nicht in Erwägung gezogen wird – obwohl er eine ernstzunehmende Alternative zu den Burgundern und Bordeaux-Weinen darstellt, die in der Gastronomie einen so gewichtigen Platz einnehmen.
Das Palace verfügt über eine im internationalen Vergleich hervorragende Champagnerkarte, die von jungen und blumigen Weinen bis hin zu einer bemerkenswerten Auswahl an Krug- und Dom Perignon-Klassikern reicht.
Wenn Sie einen Kenner suchen, sind Sie bei Daniel Kis, dem Chefsommelier des Badrutt’s Palace richtig. Niemand ist so stolz auf die Champangerkarte des Hotels wie er. In Budapest als Sohn einer vietnamesischen Mutter und eines ungarischen Vaters geboren, lernte er während seines Studiums in London die Qualitäten von Champagner schätzen.
«Viele glauben, Champagner sei nur etwas für besondere Anlässe, aber in Grossbritannien kommt er immer und überall zum Einsatz», sagt er. «Das hat mich dazu veranlasst, über kreative Champagner- Pairings nachzudenken. Natürlich ist den meisten unserer Hotelgäste Champagner als Aperitif ein Begriff, dass er bestens zu vielen Speisen passt, ignorieren jedoch viele. Allerdings muss man die Gerichte und die verschiedenen Sorten von Champagner sehr gut kennen, um das perfekte Pairing zu finden.»
Wenn Sie während des gesamten Essens bei einer Flasche bleiben möchten, empfiehlt Kis im Allgemeinen ältere, komplexere Champagner: zum Beispiel Pol Roger Cuvée Sir Winston Churchill 2006 oder eine Flasche aus einem kleineren Haus wie Jacques Selosse Selosse Lieux-dits ‹Les Carelles› Le Mesnil sur Oger Grand Cru oder Egly Ouriet Grand Cru Millésimé 2004.
Kis sagt, dass vor allem Salate und Fischgerichte zu jungen, nicht-Vintage-Champagnern mit zitrusartiger Frische passen. Aber manche Gäste wünschen sich etwas mehr Intensität.
«Nehmen Sie den Hummersalat, den wir im Le Restaurant servieren», sagt er. «Als ein leichterer Champagner eignet sich der Ruinart Blanc de Blancs sehr gut oder der Louis Roederer ohne Vintage. Für etwas mehr Intensität würde ich auf den Billecart-Salmon 2004 setzen. Man kennt eher den Rosé, aber es ist ein hochwertiger Jahrgangschampagner, der die Gäste überrascht.
Auch Gerichte des zweiten Gangs wie Pasta und Gnocchi lassen sich gut mit Champagner kombinieren, allerdings mit einem wichtigen Vorbehalt: «Das Gericht darf keine Tomaten enthalten. Denn die Tomate dominiert alles.» Sehr gut passt ein Gericht wie Gnocchi mit Steinpilzen. Kis empfiehlt einen schön gereiften Rosé, der seine Fruchtigkeit abgestreift hat, wie z. B. Bollinger La Grande Année Rose 2005.
Bei fleischhaltigen Hauptgerichten trauen sich die wenigsten, Champagner zu bestellen. «Es ist nicht so einfach wie ein schöner Bordeaux zu einem Steak, aber durchaus machbar», sagt Kis.«Gerichte mit reichlich Sahne wirken zum Beispiel der Schärfe des Champagners entgegen.» Wer auf Nummer sicher gehen will, bestellt am besten ein einfaches Gericht wie einen in der Pfanne gebratenen Wolfsbarsch, bei dem der Champagner eine ähnliche Wirkung hat wie ein Spritzer Zitrone. Bei Fleisch muss man auf kräftigere Sorten zurückgreifen, wobei gut gebratenes Fleisch an einer dunklen Sauce weniger passend ist als etwas Leichteres wie Kalbfleisch. Wenn Sie ein Liebhaber von rotem Fleisch sind, harmoniert Roastbeef mit gegrilltem Gemüse am besten mit einem länger gelagerten Champagner.
Das eigentliche Minenfeld für Neulinge bei Kombinationen mit Champagner sind die Desserts. Daniel ist kein Befürworter des Demi-Sec-Pairing-Konzepts. Am besten ist eine Nachspeise, die nicht zu viel Zucker oder Sahne enthält. Frisches Obst und bestimmte Patisserien sind eine gute Wahl sowie Kräuteraromen wie Minze. Seine Empfehlung ist die Tarte Tatin mit Pfirsich: «Wir reduzieren den Zuckeranteil, wodurch eine schöne Harmonie entsteht.»
Wer zum Dessert nicht auf Schokolade verzichten mag, tut dies auf eigene Gefahr. Hier macht Daniel keine Konzessionen: «Es spielt keine Rolle, ob die Schokolade dunkel oder hell, hart oder weich ist, es gibt keine gute Kombination», sagt er. «Es ist ein bisschen wie beim Käse: Ich empfehle Ihnen, zuerst den Käse zu geniessen und danach ein Glas Champagner zu trinken.»
Ein Teil des Genusses eines feinen Essens ist genau diese Art von Diskussion über mögliche Wein-Pairings, und Kis ist eine unerschöpfliche Quelle des Wissens. Ich jedenfalls würde mich glücklich schätzen, ihn an meinem Tisch zu haben, wenn ich das nächste Mal im Badrutt’s Palace Hotel übernachte, einem meiner absoluten Lieblingshotels. Ich habe vor 30 Jahren zum ersten Mal die Lobby betreten und mir geschworen zu bleiben.
Soll ich Ihnen mein bevorzugtes Pairing mit Champagner verraten? Es ist ganz ohne Zweifel der Ruinart, kredenzt zum Frühstück. Für mich gibt es keinen besseren Start in den Tag.
Richard Vines ist freiberuflicher Autor und ehemaliger Chefkritiker für Food bei Bloomberg.