Schneeschuhwandern, eine fortgeschrittene Stufe des Winterwanderns. In St. Moritz und im Engadin heisst das, dort zu gehen, wo man mit Wanderschuhen im Schnee versinken und steckenbleiben würde, auf spektakulären Routen, die das Beste aus der Höhenlage und der unvergleichlichen Umgebung machen.
Schneeschuhe bestehen im Wesentlichen aus einem Aluminium-, Verbundstoff- oder EVA-Schaum-Rahmen mit Riemen, die über Ihre schneetauglichen Schuhe oder Wanderstiefel passen. Durch die Gewichtsverteilung auf eine grössere Fläche bleiben Sie auf der Schneedecke stabil, ohne einzusinken.
«Was ich an diesem Teil des Engadins liebe, ist, dass es so viele Gebiete gibt, in denen man Schneeschuhwandern kann», sagt die professionelle Bergausdauersportlerin Alexandra Nemeth, die mit ihrem Unternehmen Alex7Summits private Schneeschuhtouren in St. Moritz leitet. «Wenn auf einer Seite des Berges guter Schnee liegt, geht man dorthin. Wenn man den Sonnenaufgang oder den Sonnenuntergang geniessen oder einfach nur stille Pfade erkunden möchte, ist die Auswahl riesig.»
Man geht davon aus, dass Schneeschuhe ihren Ursprung vor etwa 4’000 Jahren in Zentralasien hatten, und zwar als «Schuhski» oder Miniatur-Ski – ein massives Stück Holz mit einer Art Bindung -, mit dem Menschen der Frühzeit die Beringstrasse überquerten und von Asien nach Nordamerika gelangten. Heutzutage sind Schneeschuhe leicht und in einer Reihe von Ausführungen erhältlich, manche davon ausgestattet mit steigeisenartigen Frontzacken für eisige oder steile Querungen. Und Schneeschuhlaufen ist zu einer beliebten Winteraktivität und trendigen Sportart in zahlreichen Skigebieten auf der ganzen Welt geworden.
Neben einem Paar Schneeschuhen und Wanderstöcken mit grossen Schneetellern (in den Sportverleihgeschäften überall im Ort erhältlich) benötigen Sie ein Verschüttetensuchgerät, eine Lawinenschaufel und eine -sonde, vor allem, wenn Sie sich auf abgelegene Routen wagen wollen. Alle Schneeschuhgänger sollten ausserdem reichlich Trinkwasser, ein bisschen Proviant, ein Schweizer Taschenmesser, eine Sonnenbrille, Sonnencreme und Blasenpflaster mit dabei haben. Allen, die zum ersten Mal schneeschuhwandern, empfiehlt Alexandra Nemeth, sich von einem Führer begleiten zu lassen, der gut vertraut ist mit dem örtlichen Gelände und der Lawinengefahr.
Selbst wenn es sonnig ist, kleiden Sie sich am besten nach dem Zwiebelprinzip: Sie empfiehlt eine Basisschicht aus Merinowolle, eine dehnbare, warme Zwischenschicht, warme Handschuhe, Socken und eine Mütze sowie ein Daunenoberteil und eine wasser- und windfeste Jacke. «Beim Klettern werden Sie Ihre Jacken nicht brauchen, aber es kann schnell kühl werden, wenn Sie eine Pause einlegen, um Engadiner Nusstorte, heissen Punsch und die Aussicht zu geniessen», sagt sie.
Vorteile für Körper und Geist
Sie können Schneeschuhwandern als eine Erweiterung des Wanderns betrachten: Es bringt dieselben Vorteile: Aktivieren der Quadrizeps, Kniesehnen, Gesässmuskeln und Waden, ist aber aerobisch anspruchsvoller, da oft ganz neuer Schnee durchbrochen wird.
Ausserdem müssen Sie beim Gehen das Gleichgewicht halten, was Ihre Rücken- und Bauchmuskeln beansprucht, während die Schneeschuhe wie kleine Gewichte am Fussgelenk wirken. Aber Schneeschuhwandern ist auch gut für alle, die Probleme mit den Gelenken haben, da die weiche Oberfläche des Schnees wie ein Puffer oder Polster wirkt. Für einen gemächlichen «Spaziergang» ist auch kein besonderes Training erforderlich.
Das wirklich Herrliche an diesem Sport, so Alexandra, die im Winter sechs Tage jede Woche auf Schneeschuhen verbringt, ist, dass man es sich beliebig leicht oder schwer machen kann. «Schneeschuhwandern ist für jedermann», resümiert sie. «Ganz gleich, ob Sie Anfänger sind oder einfach mal eine Pause vom Skifahren brauchen, ob Sie eine neue Sportart ausprobieren wollen oder eine gute Übung für Herz- und Beinmuskeln suchen – Sie werden sich in diese Sportart verlieben.» Und Sie werden spüren, wie gut es tut, Zeit in der Natur zu verbringen und die frische Bergluft einzuatmen.
Schneeschuhwanderrouten für jedermann
Für Anfänger: St. Moritz zur Alp Laret
Dieser unbedenkliche 4,5 Kilometer lange Weg (unten) führt über die Via Brattas hinaus aus St. Moritz und mäandert entlang der Ortsgrenze in den Wald hinein. Sobald Sie die Bäume hinter sich lassen, weitet sich der Blick auf Muottas Muragl, den Corvatsch und den Piz Julier. Nach einem leichten Anstieg erreichen Sie in etwa einer Stunde die Alp Laret, wo Sie ein Picknick machen und sich im Schnee vergnügen können. Für den Rückweg folgen Sie Ihren Fussspuren zurück nach St. Moritz.
Für junge Familien: Pontresina nach Celerina
Dieser leichte Weg (unten) ist ideal für Familien mit Kleinkindern. Er ist 4 Kilometer lang, gut ausgeschildert und eben. Ausgangspunkt ist der Bahnhof Pontresina, von wo der Weg zwischen den uralten Lärchen und Zirbelkiefern des Stazer Waldes hindurch und über Moorlichtungen führt. Kindern macht es Spass, hier im Schnee nach Tierspuren zu suchen. Wer Augen und Ohren offen hält, hat gute Chancen, Eichhörnchen und Tannenhäher zu erspähen. Von Celerina aus können Sie mit dem Zug nach St. Moritz zurückfahren.
Für Adrenalinsuchende: Aufstieg zur Diavolezza
Dieser körperlich anspruchsvolle 6 Kilometer lange Schneeschuh-Aufstieg (unten) beginnt auf der Skitourenstrecke rechts von der roten Piste an der Diavolezza-Talstation. Im Zickzack geht es ins Hinterland, wo Sie sich vor den steilen Abhängen in Acht nehmen und die Lawinenwarnungen beachten müssen, bevor Sie wieder auf die Piste zurückkehren, wo es stark abschüssig, aber die Sicht atemberaubend ist. Vor Ihnen liegen die dreifachen Gipfel des Piz Palü-Massivs und der höchste Berg der Ostalpen, der Piz Bernina (4’049 Meter). Gehen Sie weiter zum Aussichtspunkt Sass Queder auf 3’066 Metern über dem Meeresspiegel und steigen Sie in der Bergstation Diavolezza für die Talfahrt in die Seilbahn. Wenn Sie etwas ganz Besonderes erleben möchten, nehmen Sie an einer der Vollmondtouren von Alexandra Nemeth teil.