Junge im Schnee

Familienzeit im Winterwunderland

Luxusreiseautorin Gabriella Le Breton entdeckt die Magie eines Winterurlaubs mit ihrer kleinen Tochter in St. Moritz

Eine meiner grössten Freuden als Mutter ist es, von Mathilde zu lernen, wie man sich über die kleinen Dinge des Lebens freut. Dank Mathilde habe ich wiederentdeckt, wie viel Spass es macht, Schneeflocken auf der Zunge zu fangen und schmelzen zu lassen, eine aus dem Schnee herauslugende Blume genau zu untersuchen, und die weiche Nase eines Pferdes anzufassen.

Skiferien gehören zu meinen glücklichsten Kindheitserinnerungen. 40 Jahre habe ich gewartet, um meine Leidenschaft für den Skisport mit meinem eigenen Kind zu teilen, das jetzt etwas über zwei Jahre alt ist. Zum Glück zeigt Mathilde seit ihrer ersten Winterreise in die Berge im Alter von neun Monaten eine natürliche Affinität zum Schnee und liebt es, darauf zu rutschen und zu gleiten. Aber zu behaupten, dass ein Winterurlaub mit einem Kleinkind eitel Freude und Heiterkeit sei, ist nur die halbe Geschichte – das Reisen mit Kleinkindern hat schon seine Tücken. Trotzanfälle beim Frühstück, Tränen im Skiraum und Drama an den Anfängerhängen oder dem Kinderskilift gehören ganz einfach dazu, wenn ein kleiner Erdenbürger neue Welten entdeckt.

Spass im Schnee

Jeder Urlaub bringt Lektionen darüber, wie man am besten mit einem Kleinkind reist, wobei es im Wesentlichen immer auf eine Sache hinausläuft: glückliches Kind = glückliche Eltern. Und wie bei so vielem, wenn es um Kinder geht, kann man mit Geld einiges leichter machen. Ein Winterurlaub mit der Familie ist einfach viel besser mit einer Dosis Luxus: ein prachtvolles Hotel mit offenem Kaminfeuer, glitzernden Kronleuchtern und vielen Verstecken; jemand, der einem am Morgen beim Einsteigen in die vorgewärmten Skischuhe hilft; ein Spa-Bereich mit Kinderpool, um die Zehen bei der Rückkehr aus dem Schnee aufzuwärmen …

Mathilde zu erklären, dass wir bei unserem Skiurlaub in einem Palast übernachten würden, hat schon mal Spass gemacht, und dann zu sehen, wie ihr Gesicht aufleuchtete, als wir im Badrutt’s Palace Hotel ankamen, war zauberhaft. Mit den schneebedeckten Türmchen, den livrierten Chauffeuren und der grossen Lobby fühlte sie sich in ihr eigenes Märchenschloss versetzt. Als sie unser Schlafzimmer untersucht hatte, komplett mit ihrem eigenen passenden Bademantel, Pantoffeln, Toilettenartikeln und Bären, war sie überzeugt, die Prinzessin des schönsten aller Königreiche zu sein.

Die Tage in Mathildes Königreich vergingen viel zu schnell, angefüllt mit Lachen und Heiterkeit, Abenteuern im Schnee und sogar einigen seltenen Auszeiten mit Mama und Papa. Die ersten Tage verbrachten wir gemeinsam, liessen uns im Skigeschäft des Badrutt’s Palace Hotels vom Fachpersonal ausstatten, bevor wir uns einige Stunden auf den Kinderpisten vergnügten. Wir machten einen Ausflug zur Schlittelbahn Preda-Bergün und wärmten uns anschliessend mit Fondue auf; wir tauschten den Buggy gegen einen Schlitten, unter den Kufen die kurvenreiche Strecke entlang der Kette der eisigen Seen unterhalb von St. Moritz, und verbrachten einen verschneiten Nachmittag auf den Mikro-Bowlingbahnen im Serlas Parc Center.

Etwas Zeit für uns allein

Glücklich in ihrer neuen Umgebung, dem Palazzino Kids’ Club des Palace, winkte Mathilde meinem Mann und mir zum Abschied. In der Gewissheit, dass sie von Fachpersonal betreut wurde, Schokoladentürmli backen lernen würde, Meisterwerke malen und Unordnung kreieren durfte, die wir nicht aufräumen mussten, nutzten wir die seltene Chance, etwas Zeit zu zweit zu verbringen. Das gab uns das wunderbare Gefühl, die legendären Pisten von St. Moritz ganz für uns allein zu haben. Auf Corviglias gepflegten Carvingpisten trainierten wir unsere Beine ein wenig, bevor wir zu den langen Abfahrten auf dem Corvatsch hinüberwechselten und auf der Sonnenterrasse der Hahnenseehütte eine Pause einlegten. Wie jung Verliebte, die sich ein geheimes Stelldichein geben, unterliessen wir Gespräche über Kinder und Kindererziehung und entdeckten uns selbst neu.

Auf dem Rückweg ins Badrutt’s Palace Hotel hatten wir die Befürchtung, unsere kleine Prinzessin würde es uns übelnehmen, dass wir sie allein gelassen hatten. Völlig zu Unrecht, wie sich zeigte: Sie war eher enttäuscht, dass wir schon wieder da waren.  Vorsorglich hatten wir uns ein unwiderstehliches Angebot ausgedacht: eine Pferdeschlittenfahrt durch die verschneiten Wälder und entlang gefrorener Bäche. Eingemummt in kuschelige Decken, wurden wir in ein Winterwunderland entführt, das von der untergehenden Sonne golden durchflutet wurde, die frische Luft war erfüllt von Jubel und Gelächter und schimmernden Schneeflocken.


Abseits der Piste in St. Moritz

Ermutigt durch Mathildes Enthusiasmus für den Kids’ Club, wagten wir uns am nächsten Tag etwas weiter weg, um einige der Strecken abseits der Piste auf der Diavolezza in Angriff zu nehmen. Wir verbrachten den Vormittag damit, in der Ruhe und der rauen Schönheit dieses verborgenen Juwels eines Berges zu schwelgen und die Morteratsch-Route zu erkunden, bis unsere Beine uns unmissverständlich sagten, es sei Zeit für ein Mittagessen und ein Bad im Berggipfel-Whirlpool Diavolezza.

So erholsam die gemeinsame Zeit auch war, so trieb es uns doch zu unserer Prinzessin zurück. Obwohl ich mir vor ein paar Jahren nicht hätte vorstellen können, auch nur einen einzigen Sonnentag mit Pulverschnee auf einem Idiotenhügel statt im Tiefschnee abseits der Piste zu verbringen, kompensierte mich Mathildes freudestrahlendes Gesichtchen, wenn sie unten am Chanterella-Hügel ankam, für meine verpassten Tiefschneeabfahrten.

Weitere Winteraktivitäten

Wie jeder, der St. Moritz im Winter besucht hat, weiss, gibt es hier bei aller Freude über die Fortschritte einer angehenden Skifahrerin noch sehr viel mehr als «nur» Skifahren. Was die Unterhaltung angeht, hat man hier wirklich die Qual der Wahl.

Wir gingen in Ginas Reitschule in Pontresina Ponyreiten, bevor wir in Conrad’s Mountain Lodge meterweise Pizza bestellten. Wir fuhren Huskyschlitten und wanderten dann zum schick-rustikalen Kuhstall in Sils für ein gutbürgerliches Mittagessen.  Als besonders faszinierend erwies sich unser Besuch im Mili-Weber-Haus. Dieses in dichtem Wald gelegene Holzchalet entspricht von aussen ganz und gar dem Hänsel und Gretel Lebkuchenhaus. Im Innern sind die Gewölbedecken und schiefen Holzwände von den wundersam-mystischen und farbenprächtigen Bildern der Künstlerin Mili Weber bedeckt.

Trotz aller Verlockungen durch die unzähligen Aktivitäten von St. Moritz habe ich den Verdacht, dass Mathilde sich damit zufrieden gegeben hätte, sich einfach im Badrutt’s Palace Hotel verwöhnen zu lassen. «Eingehüllt in ihren Bademantel und Pantoffeln trapste sie zielbewusst aus unserem Zimmer zum Pool und ging zum Spa wie eine Ente zum Wasser. Inzwischen findet sie es völlig normal, einen Skitag mit einem Bad im Whirlpool und einer anschliessenden Massage zu beenden.» Sie ist der Meinung, dass die üppigen Nachmittagstees, die in der Le Grand Hall serviert werden, ganz allein für sie zubereitet werden, mit leckeren Sandwiches und Kuchen, in Grösse und Geschmack ganz nach ihren Wünschen.

Jetzt, da sich unser Abenteuer St. Moritz dem Ende zuneigt, freue ich mich schon wieder darauf, zurückzukommen. Dies ist ein Ort, an dem Kindheitsträume sich verwirklichen und Familienerinnerungen geschaffen werden. Ich kann es kaum erwarten, Mathilde aufwachsen zu sehen, sie mitzunehmen auf die Skipisten, die ich so gut kenne, und einige der Abenteuer zu entdecken, die noch auf sie warten – Snowtubing, Schlittschuhlaufen auf dem Madulain-Eisweg, Skikjöring, Kiteskifahren und E-Buggy-Rennen, um nur einige zu nennen. Aber im Moment reicht es aus, ihr zuzusehen, wie sie meine Trüffel-Tagliatelle auf der sonnendurchfluteten Terrasse des El Paradiso verschlingt, und ihr zuzuhören, wie sie uns davon überzeugt, dass sie wirklich alt genug sei, um an der Pyjama-Party im King’s Club teilzunehmen.

Gabriella Le Breton ist Luxusreise-Schriftstellerin, spezialisiert auf Ski-, Kreuzfahrt- und Abenteuerreisen. Ihre Arbeiten werden in The Sunday Times, The Daily Telegraph, Financial Times, Harper’s Bazaar und Condé Nast Traveller veröffentlicht.

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