Zum Winterwandern braucht man nicht viel mehr als ein paar gute Schuhe – und in St. Moritz folgt man ganz einfach den pinkfarbenen Wegweisern. Diese kennzeichnen mehr als 150 Kilometer Winterwanderwege zwischen gletscherbedeckten Bergen, durch verschneite Wälder und über zugefrorene Seen.
Im Gegensatz zum Skifahren, das Kraft, Ausdauer und technisches Können erfordert, wird niemand vom Winterwandern disqualifiziert. «Im Engadin und in unmittelbarer Nähe von St. Moritz stehen unzählige Winterwanderwege für verschiedene Schwierigkeitsgrade zur Auswahl», sagt der örtliche Wanderführer Guido Demont. Viele der Routen können abgekürzt werden, je nachdem, wie es gerade um Ihre Fitness steht, und zahlreiche Strecken führen über angenehm flaches Terrain. Ein paar Ausrüstungsgegenstände sind dennoch unerlässlich: Guido empfiehlt Schuhe mit einer guten Sohle; mehrere Kleidungsschichten einschliesslich eines Basis-Layers, und eine warme Daunenjacke; Sonnenschutz (auch an bewölkten Tagen!) und Wanderstöcke. Ausserdem sollten Sie Wasser und eine kleine Zwischenverpflegung für unterwegs mitnehmen, auch wenn es viele Bergrestaurants gibt, in denen Sie einkehren können.
Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Technik. Joanna Hall, Lauftrainerin und Entwicklerin der WalkActive-App erklärt, dass «eine schlechte Haltung und muskuläres Ungleichgewicht, verursacht durch das viele Sitzen am Schreibtisch, dazu führen können, dass wir sub-optimal laufen.» Auf ihrer App zeigt sie Übungen zur Stärkung der Körpermitte für eine bessere Haltung beim Gehen. Sie ermutigt ihre Kundinnen und Kunden, Übungen zum Hüfteheben zu praktizieren: Das verbessert das Gleichgewicht, was bei rutschiger Unterlage hilfreich ist. Ausserdem empfiehlt sie, vor einem Winterspaziergang die Hüften und Knöchel zu dehnen, um «die Belastung der Knie und Hüften zu reduzieren und die Funktionalität der Füsse zu verbessern».
Vorteile für Körper und Geist
Winterwandern erfordert zwar keine athletische Fitness, aber es ist unglaublich gut für den Körper. Es ist wie Laufen im Sommer, verbrennt aber mehr Kalorien: Die Kälte aktiviert das braune, «gute» Fett, das Wärme spendet, während die weissen, «schlechten» Fettzellen schmelzen, sagt Joanna Hall. Eine im American Journal of Biology veröffentlichte Studie zeigte, dass Teilnehmer beim Training in der Kälte bis zu 1’000 Kalorien mehr pro Tag verbrauchten als bei wärmerem Wetter. Ausserdem muss das Herz bei kälteren Temperaturen weniger hart arbeiten, was den Blutdruck senken und die aerobe Kapazität verbessern kann.
Winterspaziergänge haben auch positive Auswirkungen auf das Nervensystem: Die kürzeren Tageslichtstunden regen den Körper zur Produktion von Melatonin an. Dies ist das Hormon, das uns zu einem guten, erholsamen Schlaf verhilft. Und hier im Engadin profitieren Sie ausserdem von der entspannenden Wirkung der frischen Bergluft. Die örtliche Schneesporttrainerin Sabrina Nussbaum-Berger erklärt, dass die Luft dünner ist, weil das gesamte Tal auf 1’800 Metern über dem Meeresspiegel liegt. «Dadurch bewegt man sich langsamer, was eine beruhigende Wirkung auf den Körper hat», sagt sie.
Frau Hall rät, Wanderungen in die Morgenstunden zu verlegen, um das Beste aus diesen Vorteilen zu machen. «Es hat sich gezeigt, dass kardiovaskuläre Übungen am frühen Morgen die Stimmung und die kognitive Produktivität verbessern, und die zweibeinige Bewegung beim Wandern unterstützt dies zusätzlich.» Ein zeitiger Start ermöglicht es Ihnen auch, das Morgenlicht von St. Moritz zu erleben, wenn die Berge silbern glänzen. «Das Licht hier ist einzigartig», schwärmt Sabrina Nussbaum-Berger. «Selbst wenn es schneit, hat das Licht eine besondere Qualität. Es ist ein Winterparadies mit Ausblicken, die Sie nie vergessen werden.»
Ein Netz von Winterwanderwegen bietet etwas für alle Fitnessstufen; Getty
WINTERWANDERN FÜR ALLE
Für Familien: St. Moritz zum Lej da Staz
Diese 4,5 Kilometer lange, kinderwagenfreundliche Wanderung (siehe unten) beginnt am Badrutt’s Palace und führt Sie durch die zauberhafte Umgebung von St. Moritz. Sie folgen dem Weg entlang des St. Moritzersees und mäandern dann durch einen glitzernden Arvenwald, der sich bald auf den gefrorenen, mit Schneekristallen übersäten See öffnet. Nehmen Sie den gleichen Weg zurück oder wandern Sie weiter durch die Wälder bis zum Dorf Celerina, von wo Sie die Eisenbahn zurück nach St. Moritz bringt.
Für Naturliebhaber: Val Bever nach Spinas
Dieser sanfte 4 Kilometer lange Wanderweg (unten) beginnt in Bever, einem traditionellen Dorf, 15 Minuten mit dem Zug von St. Moritz entfernt. Der Weg ist gut präpariert und folgt dem Fluss Beverin, einem Nebenfluss des Inns, durch das tief eingeschnittene Bevertal, durch uralte Lärchen- und Arvenwälder und über unberührte weisse Almen. Am Bahnhof von Spinas, in der Nähe des Albulatunnels – dem zweithöchst gelegenen Alpendurchstich in der Schweiz – können Sie im Gasthaus Spinas eine Pause einlegen, bevor Sie zu Fuss oder mit dem Zug nach St. Moritz zurückkehren. Lassen Sie sich vom Küchenchef mit hausgemachten regionalen und saisonalen Köstlichkeiten verwöhnen. Vermeiden Sie diese Route bei starker Bise, da diese ungehindert das Tal hinauffegt.
Für Geniesser: Chantarella zum Paradiso Mountain Club & Restaurant
Corviglia ist ein olympisches Schneesportgebiet, aber auf dieser 6 Kilometer langen Panoramawanderung (unten) mit Rückwegroute (oben) können Sie die Weltklasse-Umgebung in einem gemächlichen Tempo geniessen. Nehmen Sie die Standseilbahn von St. Moritz Dorf nach Chantarella und folgen Sie dem sanft ansteigenden Weg zum Sonnenplateau von Salastrains. Nach einer Weile folgen Sie dem Tunnel unter der Weltcup-Piste und dann sind Sie gleich da. Dann ist es Zeit, die Füsse im Paradiso Mountain Club & Restaurant hochzulagern und sich auf der Terrasse oder dem Musikdeck mit feinen Speisen und Getränken verwöhnen zu lassen. Im Winter besteht die Möglichkeit, mit dem Sessellift zum Paradiso hoch – und runter und später mit einem Transfer zurückzufahren, der über das Hotel im Voraus arrangiert werden kann.
Für sportliche Wanderer: Pontresina nach Val Roseg
Diese halbtägige Wanderung (unten) führt Sie durch eines der schönsten Täler der Schweizer Alpen. Vom Bahnhof Pontresina steigt der Weg sanft an. Links und rechts türmen sich vergletscherte Gipfel. Auch wenn die Wanderung keine steilen Abschnitte aufweist, sollten Sie bedenken, dass die jeweils 7 km hin und zurück sich im Schnee wesentlich länger anfühlen als die tatsächliche Distanz. Nachdem Sie etwa 200 Höhenmeter hinter sich gebracht haben, erreichen Sie auf einer sonnenverwöhnten Lichtung das Hotel Restaurant Roseg Gletscher. Sie haben die Möglichkeit, mit der Pferdekutsche zurückzufahren – aber prüfen Sie die Fahrpläne im Voraus und vergessen Sie nicht, sich warm anzuziehen.
