Maxime Luvara hat einen weiten Weg von der Küche seiner Mutter in Kalabrien zurückgelegt. Einst half er ihr, die Gnocchi für das sonntägliche Mittagessen zuzubereiten, jetzt hält er das Steuer für die gesamten kulinarischen Abläufe im Badrutt’s Palace Hotel in der Hand, wo er und sein Team damit beschäftigt sind, neue Gerichte zu servieren, wie z.B. Jakobsmuscheln mit langsam gegarten Endivien, Orangensaft, Walnuss und schwarzen Trüffeln (derzeit sein persönliches Lieblingsgericht). Er versteht es, Hotelgäste ebenso wie Besucher und – mit der Einführung eines Restaurant-Lieferdienstes im Jahr 2020 – auch Einheimische zu begeistern.
Seit seiner Ankunft im August 2020 knüpft und pflegt er ständig Kontakte zu lokalen Landwirten, greift aber gelegentlich auch auf sein kleines schwarzes Notizbuch mit Produzenten in der Ferne zurück, auf Kontakte, die er in den Jahren seiner Tätigkeit für einige der renommiertesten Hotels und Restaurants der Welt aufgebaut hat. Aber wer ist Maxime Luvara wirklich? Und wie hat dieser unverfälschte Süditaliener den Weg in die Schweizer Berge gefunden?
«Über 20 Jahre waren wir weg von Europa. Unsere beiden Söhne studieren jetzt in England und wir vermissten die Nähe zu unserer Familie. Deshalb fanden meine Frau und ich, es sei Zeit, auf den alten Kontinent zurückzukehren», meint er. «Die Stelle passte perfekt, da ich in vielen der grossen Hotels und Restaurants auf der ganzen Welt gearbeitet habe. Und jetzt, wo ich hier bin, ist es ein tolles Gefühl, Teil dieses legendären Schweizer ‹Palastes› zu sein.
«Ausserdem haben wir diese Umgebung vermisst. Nachdem wir in Dubai und Hongkong waren, ist es eine Wohltat, diese reine, frische Bergluft einzuatmen. Wir können nicht genug davon bekommen, um den See zu radeln, mit den Kindern zu wandern und natürlich Ski zu fahren – es ist mit Abstand der beste Schnee, den ich je erlebt habe!»
Der Erfolg von Luvara ist zu einem guten Teil auch Alain Ducasse zu verdanken. Der legendäre französische Spitzenkoch, der mehr Michelin-Sterne als jeder andere auf sich vereinigt (20 bei der letzten Zählung), nahm Luvara damals unter seine Fittiche und übertrug ihm schliesslich im November 1999 die Leitung seines ersten Restaurants ausserhalb Frankreichs, Le Spoon des Iles im One & Only Le Saint Géran auf Mauritius. «Ich war 29 Jahre alt, und Ducasse ausserhalb Frankreichs zu vertreten, lastete schwer auf meinen Schultern, aber es war unglaublich lohnend», erinnert er sich. «Die wichtigsten Lektionen? Finesse, Produktkombination und Organisation.»
Bohrt man noch ein Stück weiter in Luvaras Vergangenheit, stösst man auf eine weitere französische Legende der Gastronomie – Jacques Maximin. «Nachdem ich die Hotelfachschule in Nizza abgeschlossen hatte, ergriff ich die Chance, für Jacques Maximin in einem Restaurant mit zwei Michelin-Sternen zu arbeiten. Ich war damals 19 und es war die härteste Erfahrung meiner gesamten Karriere, aber eine der interessantesten in Bezug auf Know-how und Technik», verrät er.
Wie haben diese beiden kulinarischen Legenden seine heutige Küche beeinflusst? «Sie haben mir beigebracht, dass jedes einzelne Detail zählt. Von der Frische der Hauptzutat, über eine saisonale und kreative Beilage, bis hin zur Einfachheit eines Jus … und wie man dies alles zusammenbringen kann, um unvergessliche Gerichte zu kreieren. Ausserdem muss ein feines Gericht unsere Geschmacksnerven kitzeln, indem es Säure, Bitterkeit, Süsse und Salzigkeit im richtigen Verhältnis einsetzt, sonst ist es einfach nur langweilig.»
Mit welchen Zutaten arbeitet er am liebsten? «Es ist wichtig, in der Küche mit saisonalen Produkten zu arbeiten, egal wo man ist», das ist seine Überzeugung. «Ebenfalls wichtig ist die Unterstützung unserer treuen Lieferanten, nicht nur, weil sie uns die saisonalen Produkte liefern, die wir brauchen, sondern auch, weil wir damit etwas für die Region tun können.»
Obwohl Luvara der Meinung ist, dass die wichtigste Aufgabe eines Küchenchefs darin besteht, das Beste aus saisonalen Produkten herauszuholen, müssen diese nicht immer aus der Region stammen. «In St. Moritz haben wir Zugang zu Lieferanten, die uns Produkte aus der ganzen Welt bringen können, von frischen Gewürzen wie Galgant und Kurkuma bis hin zu handgemachten Konfitüren und Butter aus Frankreich», erläutert er.
Luvara hat an mehreren exotischen Destinationen gearbeitet, darunter im Burj Al Arab Jumeirah in Dubai und im Intercontinental Hong Kong (jetzt das Regent Hong Kong), und diese Küchen haben seinen Gaumen beeinflusst. Er sagt: «Ich habe unglaublich viel über die verschiedensten Gewürze, Würzmittel, Marinaden und Garmethoden gelernt. In Hongkong hatte ich ein mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnetes kantonesisches Restaurant, welches das beste Spanferkel und die beste Peking-Ente der Stadt servierte – Gerichte, die vielleicht einfach aussehen, aber wenn man die Komplexität der Garmethode und die Technik sieht, die nötig ist, um diese Ergebnisse zu erzielen, wird einem klar, dass diese Art von Einfachheit nicht für jeden erreichbar ist.»
Seinen aktuellen Kochstil umschreibt Luvara wie folgt: «In meiner Küche zeige ich gern Einfachheit – Kreationen, die einfach aussehen, aber in Wirklichkeit viel Können und Sorgfalt in Bezug auf Technik und Geschmackskombinationen verlangen. Ich mag es, ein Produkt auf verschiedene Arten zu präsentieren, vor allem Gemüse. Wir haben zum Beispiel Wolfsbarsch mit Artischocken auf unserem Menü. Die Artischocken werden à la barigoule und als Püree gekocht, roh geschabt, in Chips-Form getrocknet und auch in der Sauce verwendet.»
Was also ist seine Vision für die Menüs im Badrutt’s Palace in den kommenden Monaten? «Während es bestimmte traditionelle Gerichte gibt, die wir niemals von den Karten nehmen dürfen, da sie zum kulinarischen Erbe des Palace gehören, brauchte die Speisekarte einen zeitgemässen Touch. Also habe ich, verteilt über alle Restaurants des Hotels, 30 neue Gerichte hinzugefügt, zum Beispiel Fine-Dining-Optionen für das Le Restaurant, Sandwiches und Comfort Food im Le Grand Hall sowie gesunde Salate und vegane Optionen in La Diala.» Auch habe er an neuen Kreationen für die Frühjahrs- und Sommermenüs gearbeitet, lässt er uns wissen.
Der neue Restaurant-Lieferservice ist Luvaras Antwort auf die Coronavirus-Pandemie. «Da wir während der Pandemie keine hotelfremden Gäste empfangen konnten, beschlossen wir, das kulinarische Erlebnis des Palace in die Haushalte zu bringen», erklärt er. «Die Karte bietet eine grosse Auswahl an Gerichten, die auf unseren Speisekarten von Matsuhisa, IGNIV, Le Restaurant und der Chesa Veglia zu finden sind. Das Lächeln auf den Gesichtern unserer Kunden, wenn sie das Essen aus dem Palace zu sich nach Hause bestellen können, sagt alles.»
Wenn er nicht gerade ein Feuerwerk in seiner Küche zaubert, geht Luvara gerne mit seiner Familie in einer Pizzeria essen. «Wir sind grosse Pizzaliebhaber. Die Pizza im Caruso in St. Moritz ist sehr gut, perfekt im Holzofen gebacken, mit einem fantastischen Teig und hochwertigen Zutaten. Aber ich muss sagen, dass unsere Pizza in der Chesa Veglia mit Abstand die beste am Ort ist», fügt er augenzwinkernd hinzu, während er sich seine weisse Kochjacke und Mütze anzieht, bereit für den Abenddienst.